ZEHN SEHENSWERTE AUSSTELLUNGEN IN FRANKREICH 2015 VON MEHDI BRIT

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Mehdi Brit ist Ausstellungskurator und Kunsthistoriker, Spezialist der Performancekunst und ihrer zeitgenössischen Ausprägungen. Er ist als Chefredakteur der Revue Diapo tätig, arbeitet als mitverantwortlicher Kurator bei der Foire International d’Art Contemporain (In Process), bei Silencio (A Rebours) und für das Festival International d’art de Toulouse (L’Eveil du Printemps).

Er bietet uns eine Auswahl von zehn Ausstellungen, die 2015 keinesfalls zu verpassen sind, an.

1. Je n’ai rien à te dire sinon que je t’aime – Correspondances amoureuses, Musée des lettres et manuscrits
„Ich habe dir nichts zu sagen, außer dass ich dich liebe“, diese bewegende und bezaubernde Liebeserklärung stammt aus einem Brief Léon Bloys an seine Verlobte Jeanne Molbech und ist der Titel der neuen Ausstellung des Musée des Lettres et Manuscrits in Paris, die dem Liebesbrief gewidmet ist. Das Museum lädt dazu ein, in die intimen Bekenntnisse bekannter Persönlichkeiten vorzudringen. Gefühlvolle Liebesbekundungen, Botschaften voller Leidenschaft, Erotik, Klagen, Verlangen, Eifersucht, diese Briefe reflektieren die Facetten eines mysteriösen Zustands, von dem niemand geheilt werden möchte. Ohne den Anspruch zu stellen, ein vollständiges Panorama der amourösen Gefühle darzustellen, eröffnet diese Ausstellung – zusammengestellt aus Briefen, die dem breiten Publikum noch unbekannt sind – die Möglichkeit, sich in der Nostalgie und der Träumerei zu verlieren, poetische und leidenschaftliche Worte eines geliebten Menschen zu erhalten, zu öffnen und zu lesen. Es sind Erinnerungen an eine Zeit, in der Liebesbekundungen noch auf Papier niedergeschrieben wurden. Musset, Apollinaire, Cocteau, Prévert, Piaf, Flaubert, Chopin, Guitry, Alexander II., Stendhal usw. Schriftsteller, Künstler, historische Persönlichkeiten, Musiker, zahlreiche Personen unterschiedlicher Herkunft und Werdegänge versammeln sich um dieses große Gefühl: die Liebe.
Musée des lettres et manuscrits, Paris, bis 15. September 2015

2. Emily Mast, Solo Show, La Ferme du Buisson
In der plastischen Darstellung von Emily Mast, einer in Los Angeles lebenden Künstlerin, verschmelzen Performance und Installationen zu einer temporären Einheit, die Körper, Bewegung, Ton und Einzelerfahrungen zu einem flüchtigen und lebendigen Werkstoff verbinden. In ihrer ersten Einzelausstellung in Frankreich wird der Besucher auf heitere und spielerische Weise durch den Ausstellungsraum geführt, begleitet von Toninstallationen, Filmprojektionen und Szenenbildern. Die Ausstellung umfasst jüngste Zeichnungen und Videos, Teile einer im Entstehen begriffenen Performance, Popcorn, Schaukeln und spezielle Führungen, gemacht von Kindern.
La Ferme du Buisson, Marne-la-Vallée, 21. März bis 28. Juni 2015

3. Laetitia Badaut Haussmann, L’Influence de Neptune, La Passerelle
L’Influence de Neptune, die Einzelausstellung von Laetitia Badaut Haussmann im Centre d’art contemporain La Passerelle dreht sich um den gleichnamigen Film der Künstlerin. Der hinter verschlossenen Türen im Hotel Vauban in Brest gedrehte Film bildet eine Überlagerung des Romans Querelle de Brest von Jean Grenet und der Verfilmung von Rainer W. Fassbinder. Der Film L’Influence de Neptune erscheint als das Projekt einer Erzählung, die sich niemals verwirklicht. Die Architektur des Gebäudes bildet die Struktur einer fiktiven Erzählung. Unterlegt mit einer Mise en abyme vollzieht der Film die Teilung der Ausstellung. In diesem vielschichtigen System durchquert die Ausstellung sowohl Grauzonen als auch Lichtmomente über Fragen zu Entstehung, Ausstrahlung und Verbreitung. 1980 geboren, wurden die Werke von Laetitia Badaut Haussmann hauptsächlich im MACVAL in Vitry-sur-Seine, im Centre Pompidou in Paris, im Palais de Tokyo in Paris, im Gesso Art Space in Wien und in The Barber Shop in Lissabon ausgestellt.
Centre d’art contemporain La Passerelle, Brest, 7. Februar bis 2. Mai 2015

4. Blinds, Institut d’Art Contemporain, Villeurbanne
Die Ausstellung RIDEAUX / blinds beschäftigt sich mit dem Erbe der Moderne, der Abstraktion und der Einfarbigkeit, die Aneignung dessen, was bleibt, die Bedeutung des Bildes in der technischen Reproduzierbarkeit, die Malerei und die Fotografie, das Kino und der Bildschirm. Eine Auswahl zusammengestellt von Marie De Brugerrolles mit Werken von Ron Amstutz, Pierre-Olivier Arnaud, Julie Bena, Simon Bergala, Julien Bismuth, Marc Desgrandchamps, Felix Gonzales-Torres, Terence Gower, Steven Parrino, Stephen Prina, David Renaud, Franck Scurti, Jessica Warboys, James Weling usw.
IAC, Institut d’Art Contemporain, Villeurbanne, 5. Februar bis 3. Mai 2015

5. Tout ce qui se fait sous le soleil, Kollektivausstellung, Le Lieu Unique
Auf Vorschlag von Patricia Buck, Carole Rigaut und Julien Amouroux alias Le Gentil Garçon wurde die Ausstellung, die 29 Künstler und 31 Werke umfasst, um das symbolträchtige Video German Song von Sadie Benning gestaltet: Die Musikgruppe COME begleitet den Einblick in das Leben einer Jugendlichen, einer himmlischen Obdachlosen mit Rollschuhen, die durch urbane Landschaften gleitet am Rande einer Gesellschaft, deren Härte man nur bruchstückhaft wahrnimmt. Die in dieser Ausstellung vorgestellten Werke sind alle Teil des Fonds d’art contemporain de la Ville de Genève. Die Auswahl umfasst alle Medien (Zeichnung, Fotografie, Skulptur, Installation, Video, Animation usw.) und die vertretenen Künstler gehören zu unterschiedlichen mal mehr mal weniger bekannten Generationen und vertreten verschiedene Nationalitäten.
Mit Abramovic & Ulay, Pierre-Olivier Arnaud, Florian Bach, Marc Bauer, Sadie Benning, Balthasar Burkhard, Jérémy Chevalier, Hadrien Dussoix, Elvis Studio, Bastien Gachet, Olivier Genoud, Fabrice Gygi, Alexandre Joly, Elisa Lavergo, Guy Limone, Urs Lüthi, Thomas Maisonnasse, Gordon Matta-Clark, Chad McCail, Claudio Moser, Gianni Motti, Frédéric Post, Markus Raetz, Delphine Reist, Christian Robert-Tissot, Antoine Roegiers, Ambroise Tièche, Pierre Vadi, Charles Weber.
Le Lieu Unique, Nantes, 6. März bis 17. Mai 2015

6. Anges et démons, Musée d’art et d’histoire du Judaïsme
Anges et démons handelt von der Komplexität und Vielfalt der jüdischen Tradition im Bereich der Magie von der Antike bis heute, ihren Übertragungsmechanismen und der Weitergabe von Wissen und Praktiken, ihren Verboten ohne dabei die Ursprünge, die Verbreitung und die Wechselwirkungen über die Sphären der jüdischen Kultur hinaus außer Acht zu lassen. Die Ausstellung zeigt Gegenstände aus dem alltäglichen, wissenschaftlichen und besonderen Gebrauch. Darunter finden sich Talismane, Amulette, Manuskripte und Rezeptsammlungen. All diese Gegenstände dienen einem bestimmten oder mehreren Zwecken: Abwehr von Dämonen, Reinigung, Therapie und sogar Zauberei und Wahrsagerei.
Musée d’art et d’histoire du Judaïsme, Paris, 4. März bis 28. Juni 2015

7. Antonioni, Cinémathèque, Paris
Die Ausstellung erforscht das Leben und das Werk des Cineasten und zieht Parallelen zwischen Antonioni und der plastischen Kunst. Sie verbindet die Arbeit der alten Meister De Chirico, Morandi und Burri mit den Plastiken zeitgenössischer Künstler wie Peter Welz und Philippe Parreno, die Antonioni Hommage erweisen. Zahlreiche schriftliche Dokumente, Fotografien, Drehbücher, Zeitzeugenberichte, Briefwechsel und unvollendete plastische Arbeiten Antonionis erlauben uns, in die Intimität des Schaffensprozess eines kinematografischen Rätsels einzudringen.
La Cinémathèque française, 8. April bis 19. Juli 2015

8. My Buenos Aires, La Maison Rouge
Das Maison Rouge verfolgt seine Ausstellungsreihe, die der Kunstszene sogenannter peripherer Städte gewidmet ist. Nach My Winnipeg (Manitoba, Kanada9 in 2011 und My Johannesburg (Südafrika) in 2013 rückt die Stiftung nun Buenos Aires in Argentinien in den Mittelpunkt.
La Maison Rouge, Fondation Antoine de Galbert, Paris, 18. Juni bis 20. September 2015

9. Omer Fast, Jeu de Paume
In seinen Videoinstallationen, die aus einzelnen oder mehreren Projektionen bestehen, entdeckt Omer Fast (1972 in Jerusalem geboren) neue Erzählformen. In einer Art Experiment über die Grenzen der Realität schafft er eine Verbindung zwischen Wort und Bild. Die Ausstellung im Jeu de Paume präsentiert eine Auswahl seines seit den 2000er Jahren geschaffenen Werks. Sie zeigt, wie Narration und Fiktion, der Prozess der Weitergabe der Erzählung und ihre Lektüre als Werkzeug und Mittel fungieren, um ein neues Verhältnis zur Geschichte aufzubauen, das es erlaubt, die Verbindung zwischen Bild, Text und Ton ans Licht zu bringen.
Jeu de Paume, Paris, 20. Oktober 2015 bis 26. Januar 2016

10. Aire de jeu, Un Nouveau Festival, Centre Pompidou
Seit seiner ersten Auflage in 2009 ist das Nouveau Festival ein Versuchslabor für neue Kreationen, das sich kontinuierlich erneuert. Das Festival wird dieses Jahr seine Dauer erstmalig verlängern. Während drei Monaten sind visuelle Künstler, Performancekünstler, Tänzer, Theoretiker und Cineasten auf demselben Terrain tätig und gehen einen Dialog zwischen Kunst und Spiel ein. Der rote Faden dieser 6. Auflage verfolgt die plastische Kunst in Verbindung mit Kino, Videospielen, Film, Tanz, Literatur, Ausstellungen, Konferenzen und Performance. Das Thema wird auf vielerlei Weise fokussiert und unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet, oft mit partizipativen und performativen Elementen.
Mit Michel Aubry, Julien Prévieux, Anna Barham, Yann Sérandour, Timothée Dufresne, Matteo Rubbi, Olivia Plender, Carla Zaccagnini, Olive Martin & Patrick Bernier, Yan Tomaszewski, John Henry Newton, Dominique Gilliot, Uta Eisenreich, Takeshi Murata, Tabor Robak. Laetitia Dosch, Gaëtan Vourc’h, Eric Judor, Bettina Atala, Aude Lachaise, Matija Ferlin uvw.
Centre Pompidou, 15. April bis 20. Juli 2015, Galerie Sud, Espace 315, Forum -1, Kinos 1 und 2, Grande Salle und Petite Salle, Galerie des Enfants, Studio 13/160

Mehdi Brit
Mehdi Brit (1985 geboren, lebt und arbeitet in Paris) ist Ausstellungskurator und Kunsthistoriker, Spezialist der Performancekunst und ihrer zeitgenössischen Ausprägungen. Er ist als Chefredakteur der Revue Diapo tätig, arbeitet als mitverantwortlicher Kurator bei der Foire International d’Art Contemporain (In Process), bei Silencio (A Rebours) und für das Festival International d’art de Toulouse (L’Eveil du Printemps). Er hat mit verschiedenen französischen und internationalen Institutionen zusammengearbeitet: Astérides/Le Cartel/Friche belle de mai, Centre Pompidou, Fondation Brownstone, Hôtel Particulier Montmartre, Institut Français, Laboratoires d’Aubervilliers, Musée de la Chasse et de la Nature, Pavé dans la mare, Biennale Performa (usw.) und er hat mehrere Kuratorenprojekte im Bereich der Performancekunst verwirklicht: Quand la transgression flirte avec le luxe, 2010-2012; So Swiss : la scène de la performance en Suisseles Performances – Fil rouge du Festival de la Croatie en France, 2012; Empreintes et passages à l’acte, Marseille – Europäische Kulturhauptstadt 2013; Dionysos: Les Chants miraculeux de la terre et de la nuit, Europäische Museumsnacht 2014 usw.
Kürzlich publizierte er in Zusammenarbeit mit Sandrine Meats das Werk Interviewer la performance. Regards sur la scène française depuis 1960, Manuella Editions (2014).