Zehn Ausstellungstipps für 2014 von Julienne Lorz und Anna Schneider

montage photo

Julienne Lorz und Anna Schneider arbeiten derzeit am  neuen Ausstellungsformat  Capsule Exhibitions  im Haus der Kunst. Die Künstler Mohamed Bourouissa und Tilo Schulz  werden diese im Oktober 2014 mit je einer konzentrierten Präsentation eröffnen. Die Capsule Exhibitions zeigen junge, internationale Positionen mit jeweils neuen Arbeiten.

Wir freuen uns, dass sie ihre Ausstellungstipps mit uns teilen.

1. La voix humaine
Ausgangspunkt für die Ausstellung sind Themen aus Francis Poulencs Opernadaption La voix humaine, die 1958 nach Motiven des gleichnamigen Einakters von Jean Cocteau entstanden ist. Von diesem Drama ausgehend untersuchen die Künstler, auf welche Weise extreme Gemütsregungen in unserer heutigen Gesellschaft vermittelt werden – von der öffentlichen Zurschaustellung von Gefühlen, die ein Publikum voraussetzt, bis hin zu der maßgeblichen Rolle, die der Technologie zukommt, wenn es darum geht, enge Beziehungen mit ihren Benutzern herzustellen.
Tolle Künstlerliste !
Mit Arbeiten von Tyler Coburn, Cécile B. Evans, R. Kelly, Kalup Linzy, Erica Scourti, Cally Spooner, Frances Stark, Amelie von Wulffen.

Kunstverein München, 25. Januar bis 30. März 2014

2. Matthew Barney: River of Fundament
Im Frühjahr 2014 widmet das Haus der Kunst dem Ausnahmekünstler Matthew Barney eine umfassende Präsentation seines neuesten Werkzyklus River of Fundament.
In diesem Gesamtkunstwerk kulminieren sieben Jahre intensiver Meditation über Tod, Wiedergeburt, Transformation und Transzendenz; Konzipiert in drei Akten (Ren, Khu und Ba) erforscht der Zyklus die Begräbnisrituale des pharaonischen Ägyptens und entwickelt eine Beziehung zwischen der ägyptischen Mythologie und der Persönlichkeit Norman Mailers, dessen umstrittener Roman Frühe Nächte (im Org.: Ancient Evenings) das Projekt wesentlich inspiriert hat.
Die Ausstellung zeigt fünfzehn neue großformatigen Skulpturen, dazugehörige Zeichnungen, Vitrinen und Fotografien. Parallel feiert die fünfstündige, symphonischen Filmoper, die in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Komponisten Jonathan Bepler entstanden ist, in der Bayerischen Staatsoper seine Weltpremiere. Die Ausstellung wird ausschließlich in München gezeigt, daher: auf keinen Fall verpassen!

Haus der Kunst, München, 16. März bis 17. August 2014

3. Ana Mendieta: Traces
Diese Ausstellung, die vorher in der Hayward Gallery in London zu sehen war, war längst überfällig und wird Ana Mendietas kurzem Leben (1948-1985) und Werk mehr als gerecht.
Obwohl ihr Name allgemein nicht sehr bekannt ist, zählt Mendieta zu den bedeutendsten und einflussreichsten Künstlerinnen unserer Zeit. Ihr Werk umfasst eine Vielzahl von Medien, die von Fotografie, Film und Skulptur bis zur Zeichnung reichen.
Auf ihrer Suche nach Herkunft und Identität, schuf die Künstlerin ein radikales wie originelles Werk, in dem sich ihr Interesse an der Wechselbeziehung zwischen Ritualen und Skulptur, zwischen Körper und Natur manifestiert.

Museum der Moderne Mönchsberg, Salzburg, 29.März bis 6.Juli 2014

4. Smart New World
Die thematische Ausstellung widmet sich einem brisanten Komplex, der unsichtbar – aber dadurch nicht weniger fundamental – Einfluss auf unsere Leben hat. Ausgehend von der Annahme, dass sich der Industriekapitalismus zu einem digitalen Kapitalismus verwandelt hat, der mit massiven gesellschaftlichen Umbrüchen, vor allem für das Selbstverständnis des Selbst verbunden sind, untersucht die Ausstellung „die brüchige Beziehung zwischen der Subjektivität und der postindustriellen Gesellschaft in einer Zeit, in der die Darstellung des Selbst zunehmend von der Omnipräsenz eines digitalen Voyeurismus übernommen wird.“
Man darf gespannt sein, wie die Künstler mit dieser komplexen und hochaktuellen Problematik umgehen.
Mit Arbeiten von Allora & Calzadilla, Xavier Cha, Simon Denny, Aleksandra Domanovic, Omer Fast, Christoph Faulhaber, Kenneth Goldsmith, International Necronautical Society, Korpys/Löffler, Moon Kyongwon & Jeon Joonho, Trevor Paglen, Tabor Robak, Santiago Sierra, Taryn Simon, Hito Steyerl.

Kunsthalle Düsseldorf, 5. April bis 10. August 2014

5. Achte Berlin Biennale
Die Berlin Biennale ist mit Sicherheit ein Highlight in diesem Jahr für alle Kunstliebhaber. Bisher wurden alle der Ausgaben kontrovers diskutiert, und so wird es auch in diesem Jahr spannend was Juan A. Gaitán zusammen mit seinem künstlerischen Team aus dem Format der Biennale herausholt, welche Künstler er zeigt und welche inhaltlichen Ansätze er formuliert.
Inhaltlich widmet sich die 8. Berlin Biennale der Stadt. Mit einem besonderen Fokus auf Berlin hat das kuratorische Team das Verhältnis der Stadt zu ihrer gebauten Umwelt, das Zugehörigkeitsgefühl ihrer Bürgerinnen und Bürger sowie das Verhältnis von Stadt und Arbeit als zentrale Themen für sich identifiziert.

Berlin Biennale, KW Institute for Contemporary Art und andere Orte, 29. Mai bis 3. August 2014

6. Simone Forti. Mit dem Körper denken: Eine Retrospektive in Bewegung
„Mich interessiert, was wir durch unsere Körper über die Dinge wissen“, sagt Simone Forti über ihre Arbeit, und obwohl sie als Schlüsselfigur des postmodernen Tanzes und der Minimal Art gilt, zieht sie die Bezeichnung „Bewegungskünstlerin“ vor. Simone Forti wurde 1935 in Florenz, Italien, geboren und emigrierte 1939 mit ihrer jüdischen Familie über die Schweiz nach Los Angeles, USA, wo sie aufwuchs und nach vielen anderen Stationen mittlerweile wieder lebt.
Sie ist als Künstlerin, Choreografin, Tänzerin und Schriftstellerin eine Pionierin.

Museum der Moderne Mönchsberg, Salzburg, 18. Juli bis 9.November 2014

7. Andrea Büttner
Andrea Büttner verwendet verschiedene Drucktechniken wie Holzschnitt und Siebdruck, sowie seit neuestem Hinterglasmalerei. Traditionelle Techniken, die in ihren Händen eine Formensprache entwickeln, die auf den ersten Blick abstrakt erscheint, sich dann aber doch als Gegenständlich erweist. In Ausstellungen geht die Künstlerin direkt auf den Raum ein und streicht etwa die Wände nur so hoch, wie sie selbst mit dem Pinsel hinkommt. Wie sie wohl mit den Räumen im Museum Ludwig umgehen wird?

Museum Ludwig, Köln, 5. September 2014 bis 15. März 2015

8. Camille Henrot: The Pale Fox
Die französische Künstlerin Camille Henrot war mit Recht der Star der letzten Biennale in Venedig. Mit einer unglaublichen Leichtigkeit und gleichzeitig bewegenden Ernsthaftigkeit erklärte sie den Lauf der Welt und entwickelte dabei ganz nebenbei eine bisher ungesehene wirklich zeitgenössische Sprache. Wir freuen uns deshalb besonders auf diese neue Arbeit, die von der Chisenhale Gallery (London), dem bétonsalon (Paris), dem Westfälischer Kunstverein (Münster) und der Kunsthal Charlottenborg (Kopenhagen) gemeinsam in Auftrag gegeben wurde und auch an allen Orten präsentiert wird.

Chisenhale Gallery, London, 28. Februar bis 13. April 2014
Kunsthal Charlottenborg, Kopenhagen, 20 Juni bis 17 August 2014
bétonsalon, Paris, September bis Dezember 2014
Westfälischer Kunstverein, Münster (Termin noch nicht festgelegt)

9. Erweiterung und Neustrukturierung des MMK
Im Herbst wird die neue Dependance des Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main im Taunus Turm mit rund 2000qm zusätzlicher Ausstellungsfläche eröffnet. Durch die dazu gewonnene Ausstellungsfläche ergeben sich völlig neue Möglichkeiten große Teile der Sammlung des Museums dem Publikum in Wechselausstellungen zugänglich zu machen. Schwerpunkt wird auf Themen der Gegenwart liegen.
Aus der Neustrukturierung ergeben sich auch für das Haupthaus neue Möglichkeiten, vor allem die Möglichkeit herausragende Arbeiten dauerhaft ausstellen zu können; Und so eröffnet auch das bisherige Haupthaus mit einer neuen Präsentation aus der Sammlung.
Die Neueröffnung und Neustrukturierung des MMK ist mit Sicherheit ein Grund in diesem Jahr nach Frankfurt zu reisen.

MMK, Frankfurt, September 2014

10. Mark Leckey
Das hochgradig idiosynkratische Werk des britischen Künstlers Mark Leckey besteht aus Objekten und Installationen, Filmen und Videos, Poster und anderen Druckmaterialien, LED Bildschirmen und Soundsystemen. Mit diesen verschiedenartigen Medien erkundet er mit viel Humor die Populärkultur, den Kommerz und die Fetischisierung des Konsumprodukts, sowie technologische Entwicklungen und deren Wirkung auf uns Menschen. 2008 erhielt Mark Leckey den angesehenen Turner Prize und war 2013 auf der Venedig Biennale zu sehen.

Wiels, Brüssel, Herbst 2014
Haus der Kunst, München, 29. Januar 2015 bis 31. Mai 2015

Julienne Lorz
Julienne Lorz ist Kuratorin am Haus der Kunst in München. Nach einer Karriere als Tänzerin und Choreografin im Modernen Tanz in England, hat sich Julienne Lorz ganz der zeitgenössischen Kunst verschrieben. 2004 schloss sie ihren MA in Curating Contemporary Art am Royal College of Art, London ab.
Seit 2005 co-kuratierte sie im Haus der Kunst verschiedene Ausstellungen: u.a. mit Gilbert & George, Anish Kapoor und Ai Weiwei, sowie thematische Ausstellungen wie Made in Munich – Editionen von 1968 bis 2008 (2008), Goldene Zeiten (2010), Skulpturales Handeln (2011), und Bild-gegen-Bild (2012). 2008 betreute sie eine Neuproduktion des Künstlerduos Jennifer Allora & Guillermo Calzadilla und 2012 der Künstlerin Haegue Yang im Rahmen von Der Öffentlichkeit – von den Freunden Haus der Kunst.
2013 präsentierte sie eine Retrospektive der belgischen Künstlerin Joëlle Tuerlinckx und sie arbeitet derzeit an einer thematisch ausgerichteten Ausstellung mit Werken von Louise Bourgeois, die im Februar 2015 im Haus der Kunst zu sehen sein wird.

Anna Schneider
Anna Schneider ist Assistenzkuratorin von Okwui Enwezor am Haus der Kunst in München. Hier betreute sie zuletzt die Ausstellungen ECM – Eine kulturelle Archäologie (2012), Kendell Geers 1988-2012 (2013), Aufstieg und Fall der Apartheid (2013) und Paper Weight (2013). 2013 kuratierte sie das 1. Festival of Independents am Haus der Kunst, ein neues interdisziplinäres Format am Haus der Kunst das sich mit Urbanität als Bedingung des Zeitgenössischen auseinandersetzt.
2009 erhielt Anna Schneider ihren Master im Fachbereich Exhibition & Museum Studies am San Francisco Art Institute als Fulbright Stipendiatin. 2007 schloss sie ihr Studium der Kulturarbeit an der Fachhochschule Potsdam ab. Ihr Forschungsinteresse gilt den interdisziplinären Zusammenhängen von Gegenwartskunst sowie kulturellen Phänomenen unter Berücksichtung historischer, ökonomischer und politischer Kontexte.

Fotos: links Julienne Lorz (© Jörg Koopmann), rechts Anna Schneider (© Barbara Donaubauer).