5 Highlights in Paris während Mois de la Photographie du Grand Paris

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Eigentlich müsste man natürlich den ganzen Monat April 2017 in Paris gewesen sein, um das umfassende Ausstellungsprogramm, das in diesem Jahr das Festival zum Monat der Photographie erstmals nicht nur im Zentrum, sondern auch in der Umgebung der Metropole präsentierte, angeschaut haben zu können.

In einem Kraftakt für das Medium wurde unter der künstlerischen Gesamtleitung von Francois Hébel, dem langjährigen Leiter des Festivals von Arles, ein Programm präsentiert, an dem sich eine Vielzahl von Museen, Galerien, Kulturinstituten und Kulturzentren, KünstlerInnen und KuratorInnen in Paris und Umgebung beteiligten.

Unter der engagierten Betreuung von Sophie Robnard vom Institut Francais Paris und auf Einladung von den Ländervertretungen des Institut Francais war es einer Gruppe von internationalen KuratorInnen möglich, Wege zu Orten einzuschlagen, die man bei den sonstigen Besuchen von Paris aus zeitökonomischen Gründen leider meist nicht kennenlernt.

Hier stellte das diesjährige Festival in jedem Fall einen möglichen Leitfaden dar. Nicht immer finden sich jedoch die qualitativ unterschiedlichen Beiträge in dem ‚schwergewichtigen’ Begleitkatalog zum Festival wieder. So war es sicherlich gut, die ‚Grand Tour du Grand Paris’ auf sich zu nehmen. Sie schloss Themenausstellungen, kunsthistorische Qualität und Beiträge von jungen Künstlerinnen und Künstlern ein, die mit dem Medium der Photographie und Video sehr unterschiedlich arbeiten.

Identität, Urbanität und soziologische Realität als photographische Themen gehören sicherlich zu den wichtigen Referenzpunkten der Photographiegeschichte. Die Retrospektiven von Walker Evans und Josef Koudelka im Centre Pompidou sind hierzu ebenso erwähnenswert, wie sich auch andere Museen und Ausstellungshäuser im Zentrum von Paris wichtigen Aspekten der Photographiegschichte – u.a. zum Jubiläum von MAGNUM – widmeten.

Wie nähert man sich einer Stadt an, deren Historie, architektonische Vielfalt und kulturellen Schätze oft durch idealisierende Klischees überdeckt werden und dabei die alltägliche Ästhetik und Realität der Vororte mit ihren Baustellen, nüchternen Straßenbildern, Architektursünden und einem damit verbundenen Lebensgefühl in den Hintergrund drängen?

Aus unterschiedlichen Perspektiven und mit der konzeptuell stringenten Methode, sich immer auf das Ortsschild „Paris“ aus einem Abstand von sechs Metern zu konzentrieren, nahm der polnische Künstler Eustachy Kossakowski nach seiner Ankunft in Paris in den frühen 1970er Jahren in einer 157-teiligen Serie von Schwarzweißphotographien die wenig populären Randbezirke von Paris beim Eintritt in die Stadt auf. Die Serie mit dem Titel„6 mètres avant Paris“ präsentierte das MAC VAL, Musée d’art contemporain du Val-de-Marne, Vitry-sur Seine.

Die bildnerische und natürlich auch soziologische Verweiskraft der Vororte erschien aus zeitgenössischer Perspektive auch von der jungen Französin Po Sim Sambath in einer mehrteiligen Arbeit thematisiert.„Les Muristes“ setzt dabei die typisierte Figur eines mit ‚Streetwear’ bekleideten Drogenhändlers zu einem fiktional anmutenden öffentlichen Raum in Beziehung. Generiert durch einen 3D Scanner und einem 3D Drucker, erscheint die Skulptur in der Nähe der szenischen Leuchtkasten-Stadtraum-Photoarbeit und schafft die Verbindung zwischen den unterschiedlichen Wahrnehmungsebenen. Als Teil einer Gruppenausstellung in einem ehemaligen Möbelhaus in der Fußgängerzone von St. Denis gehörte die Arbeit hier zu einem der spannenden Beiträge – Aktualität unweit der berühmten gotischen Kathedrale.

Neben den Aspekten des urbanen Lebens stellten verschiedene Ausstellungen auch die Verbindung zwischen archaischen Landschaftsbildern und metaphorisch besonderen Momenten zwischen Mensch und Natur her. Eine der Entdeckungen hierzu war die Filmarbeit „Tezen“ von Shirley Bruno in der Galerie Municipale Jean Collet. Von besonderer Ruhe und Atmosphäre geprägt geht hier die Künstlerin, die in New York geboren wurde und inzwischen in Paris lebt, einer alten und immer wieder unterschiedlich erzählten Geschichte aus Haiti nach. Ihre Homepage informiert auch nach der Ausstellung über die sensible Arbeit.

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Barbara Hofmann-Johnson ist seit November 2016 Leiterin des Museums für Photographie Braunschweig. Sie studierte Kunstgeschichte, Germanistik und Theater- Film- und Fernsehwissenschaften und kuratierte im Bereich zeitgenössischer Kunst und Photographie eine Vielzahl von Ausstellungsprojekten. Bevor sie an das Museum für Photographie Braunschweig wechselte, arbeitete sie u.a. für Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur – August Sander Archiv in Köln und hatte einen Lehrauftrag an der Folkwang Universität der Künste Essen im Bereich Photographie/kuratorische Praxis.