Thibaut de Ruyters Tipps zum berliner „Gallery Weekend 2017“

GWB_2017

Das „Gallery Weekend“ Berlin ist in den letzten zwölf Jahren zu einem wahren Kunst-Highlight und einer interessanten Alternative zu den traditionellen Messen zeitgenössischer Kunst geworden. Für die deutsche Hauptstadt, der es nie wirklich gelungen ist, ihren Platz in der Welt der bedeutenden internationalen Kunstmessen zu finden, ist die Tatsache, dass über 50 Galerien sich für ein Wochenende (28.-30. April 2017) zusammenschließen, um ihre Ausstellungen zu präsentieren und gemeinsam den künstlerischen Reichtum dieser Stadt zu feiern, eine wunderbare Alternative.

Es ist aber vor allem aus einem anderen Grund ein viel interessanteres Format als die traditionellen Messestände: Die Galerien haben „Heimvorteil“ und können somit wunderbare Ausstellungen in ihren eigenen Räumlichkeiten präsentieren. (Angesichts der Entfernungen zwischen den verschiedenen Galerien sollte man jedoch bequemes Schuhwerk tragen oder über ein großzügiges Taxi-Budget verfügen). Kurzum, das Gallery Weekend ist mittlerweile zu einer festen Größe im Berliner Kunstkalender geworden.

Für diese Gelegenheit zieht  Esther Schipper  in größere Räume und präsentiert den Künstler Anri Sala; nur etwa zehn Meter weiter stellt Tanja Wagner Werke von Kapawani Kiwanga aus und an der nächsten Straßenecke zeigt das EXILE Arbeiten von französischen Künstlern in einer Gruppenausstellung. Wie man sieht, braucht man sich um die französische Szene erfreulicherweise keine Sorgen zu machen.

Andererseits legen wir doch nicht 1000 km zurück, um dann wieder nur Franzosen zu sehen! Deshalb unbedingt zu MEYER RIEGGER gehen und die Werke der Künstlerin Eva Kot’átková bestaunen oder auf der anderen Straßenseite zu Daniel Marzona, der Bernd Lohaus präsentiert, und ein Abstecher zu  Mehdi Chouakri lohnt sich ebenfalls, denn dieser zeigt die Werke der genialen und feinsinnigen Charlotte Posenenske.

Einen kleinen Wehrmutstropfen gibt es dennoch und einen Wunsch für die kommenden Ausstellungen: Mehr Risikobereitschaft. Denn auch wenn Jürgen Klauke (Galerie Guido Baudach), Candice Breitz (KOW), Thomas Schütte (Carlier / Gebauer), Martin Barré (Kunsthandel Wolfgang Werner) oder auch Michel Majerus (NEUGERRIEMSCHNEIDER) leidenschaftliche Künstler sind, so sind sie doch keine wirkliche Entdeckung mehr und stehen nicht für das, was Berlin derzeit an Innovativem zu bieten hat. Deshalb wäre es ratsam, zwischen zwei „Blockbustern“ auch in die anderen Galerien (Thomas Fischer, House of Egorn oder das Experiment Eigen+Art Lab) zu gehen und einen aufmerksamen Blick hineinzuwerfen…

Aber was wäre eine Galerie ohne Kunstsammler? Wenn man schon in Berlin ist, sollte man sich also auch ein bisschen Zeit nehmen für einen Besuch der Julia Stoschek Collection (die dem französischen Künstler Cyprien Gaillard einen besonderen Stellenwert einräumt) und vor allem der Sammlung Hoffmann (die auch Werke eines seltsamen französischen Künstlers mit dem Namen Titus zeigt). Es ist schön zu sehen, dass die Kunstwerke, wenn sie erst einmal verkauft sind, nicht zwangsläufig in Kisten verschwinden, sondern dass wahre leidenschaftliche Sammler dafür sorgen, dass sie auch weiter mit Leben erfüllt werden.

Thibaut de Ruyter
____

Thibaut de Ruyter ist Architekt, Kurator von Kunstausstellungen sowie Kunst- und Architekturkritiker. Er lebt und arbeitet seit 2001 in Berlin und schreibt regelmäßig für die Publikationen Artpress, Mouvement und Fucking Good Art. Er hat bereits Ausstellungen im HMKV in Dortmund, dem Eigen + Art Lab in Berlin, dem Museum Kunstpalast in Düsseldorf im Kunstmuseum Bochum realisiert, sowie die Neugestaltung des Museums für Angewandte Kunst in Frankfurt am Main begleitet. Er ist, neben Gaisha Madanova, Mitbegründer der ersten Kunstzeitschrift Kasachstans –ALUAN – und hat zusammen mit Inke Arns für das Goethe-Institut die Wanderausstellung Die Grenze über  Künstler der ehemaligen Sowjetstaaten kuriert (bis Ende 2018 in verschiedenen Städten in Russland, Zentralasien und Kaukasien zu sehen). Er bereitet für Juni 2017 eine Ausstellung über das Fotobuch im Kunstzentrum CRP in Douchy-Les-Mines und eine weitere übe rdie Sammlung des Museum Sztuky in Lodz vor.