Kohle, Peseten, Koks, Mammon, Bims, Asche, Mäuse, Heu, Flocken … Umgangssprachlich gibt es unzählige Bezeichnungen für Geld. Diese Fülle an Bezeichnungen spiegelt die Bedeutung des Geldes in unserem Alltag wider, von seinen intimsten Vorkommen bis hin zu seinen öffentlichen und politischen Erscheinungsformen. Um es mit den Worten des Schriftstellers Thomas Baumgartner zu sagen, der gerade das Buch „L‘argent des gens, tentative d‘épuisement de nos porte-monnaie“ („Das Geld der Menschen – ein Versuch, unsere Geldbörsen zu erschöpfen“) veröffentlicht hat: „Das Geld macht unseren Alltag aus, fabriziert ihn, erzwingt ihn, gestaltet ihn. Es gibt ein absolutes Paradoxon zwischen Omnipräsenz und Vergänglichkeit“ (S. 9). Während dieser Autor sich im Gegensatz zu einer philosophisch-finanzorientierten Studie dafür entscheidet, das Geld durch individuelle Aussagen und Erzählungen zu porträtieren, ging es bei meinem Forschungsaufenthalt in Deutschland nicht darum, den Code des Überbaus des Kapitalismus zu knacken, sondern mit bescheidenerer Absicht darum, das Geld in seiner Dualität zu erfassen, sowohl als Sujet als auch als künstlerisches Medium.
Kunst und Kohle. Die Homophonie mag ein Lächeln hervorrufen, ein wissendes Lächeln, da es allgemein bekannt ist, dass diese beiden Wörter die zwei Seiten ein und derselben Münze sind. Einerseits macht der Kunstmarkt mit seinen Exzessen und horrenden Summen immer wieder Schlagzeilen, hinterlässt einen bleibenden Eindruck, fasziniert die einen und schreckt die anderen ab. Andererseits ist die prekäre Wirtschaftslage von Künstler:innen eine weniger glanzvolle Realität, für die die Legislative trotz des im Februar 2022 vorgelegten Gesetzentwurfs für „eine Einkommenskontinuität für Kunstschaffende“ immer noch taub ist. Die Verknüpfung dieser beiden Seiten ist hier offensichtlich und notwendig, da sie es ermöglicht, eine Architektur der wirtschaftlichen und sozialen Werte, der beruflichen und strukturellen Realitäten zu entwickeln. Doch wenn es unbestreitbar ist, dass Kunst einen Geldwert hat, wie steht es dann um den künstlerischen Wert des Geldes? Welche plastischen Qualitäten besitzt es? Welche erzählerischen Möglichkeiten? Welche Ikonografie trägt es mit sich? Ist es eine Ikonografie wie jede andere? Ohne Ausführlichkeit oder Wahrhaftigkeit anzustreben, begebe ich mich hier in einer Kombination aus Atelierbesuchen und Treffen mit Historikerinnen auf eine kuratorische Wanderung durch Deutschland, die diesem grünen Faden folgt.
Im Historischen Museum Frankfurt werden über 150.000 Münzen auf Dutzenden von laufenden Metern an Vitrinen aufbewahrt. Sie bieten einen geschichtlichen Überblick von den griechischen und römischen Zivilisationen über die Einführung des Pfennigs durch Karl den Großen bis hin zur Einführung des Euro. Die überwiegend runden Münzen variieren in Motiv und Material und ermöglichen es, diese Gesellschaftsfragmente in Zeit und Raum zu verorten. Weiter hinten hängt eine Tafel, die sich mit einer der ersten Finanzkrisen befasst: der Kipper- und Wipperzeit (1618-1648). Die Münzenentwertung zur Finanzierung des Dreißigjährigen Krieges führte zur Prägung von Metallmünzen mit immer geringerem Wert. Die Menschen zerschnitten und schliffen die Münzen mit den wertvolleren Metallen und mischten die verbleibende Seite mit weniger seltenen Metallen. Auch heute noch ist die Materialität des Geldes im globalisierten und allumfassenden Finanzsystem von Bedeutung. Özlem Günyol & Mustafa Kunt griffen diese Materialität auf und schufen ihre Serie mit dem vielsagenden Namen „Materialistic Paintings“, die auf Wertschwankungen und andere metallurgische Hybridisierungen im 17. Jahrhundert anspielt. Die 2018 begonnene Serie ist vom Minimalismus Josef Albers‘ und seinen Quadraten inspiriert und stellt eine malerische Umsetzung von Münzen der Währungen dar, die weltweit am häufigsten gehandelt werden, wie der US-Dollar, der Euro, das Pfund Sterling und der japanische Yen. Die in den Münzen enthaltenen Metalle werden in Pulverform auf Flächen aufgetragen, die proportional zu den in jeder Münze enthaltenen Mengen sind. Kupfer, Messing, Nickel, Zink etc. stellen alle ihre chromatischen Variationen zur Schau. Die Währung wird hier nach ihren chemischen Eigenschaften dargestellt und somit abstrahiert. Dennoch werden die länderspezifischen Bodenschätze sichtbar gemacht, und die Währungshierarchie, die bei internationalen Umrechnungen gilt, wird durch eine bemalte Oberfläche veranschaulicht.
Özlem Günyol & Mustafa Kunt, Materialistic Paintings, 2018 – laufende Serie. Metallpulver, Hahnemühle-Büttenpapier 300 g/m², 76×82 cm. Euro, 10 Cent. %89 Cu, %5 Al, %5 Zn, %1 Sn. Foto: Katrin Binner.
Neben der Materialität zeigt die numismatische Sammlung des Historischen Museums Frankfurt auch eine große Vielfalt an Darstellungen, die auf Münzen geprägt wurden. Adler, Löwen, Porträts, Symbole … Eine ganze Ikonografie, durch die das Geld nicht nur als Zahlungsmittel, sondern auch als Kommunikationsmedium erscheint. Pablo Schlumberger näherte sich der starken Botschaft des Geldes mit einem spielerischen Ansatz. Anlässlich eines Performance-Abends, der 2018 in der Klosterruine Berlin stattfand, schuf der Künstler sechs Münzen, die anhand von 3D-Modellen aus Silber gegossen wurden und jeweils einer der gezeigten Performances entsprachen. Im Anschluss daran beauftragte er die Numismatik-Forscherin Ulrike Peter mit der Deutung dieser sechs Münzen. Ihre Analyse wurde 2023 in einer der Publikationen des Künstlers veröffentlicht. Die Spekulation richtet sich hier nicht auf den Wert des Gegenstands, sondern wird auf das Gebiet der Bedeutung, der Symbolik gelenkt. Geld als Darstellungsmedium weckt Vermutungen, Phantasie, mentale und sensible Projektionen.
Ausgehend von „Euro Manikin“, einer anthropomorphen Skulptur aus 1€-Münzen – die inzwischen auf mysteriöse Weise verschwunden ist – schuf Pablo Schlumberger eine Reihe von Zeichnungen und Fotografien, die diese rätselhafte Figur in Szene setzen. Der Künstler versetzt uns in eine andere Form der Rationalität, zugleich schelmisch und humorvoll, in der das Geld personifiziert wird. In den Brunnen von Rom oder Neapel scheint es unabhängig von uns seine eigenen Abenteuer zu erleben – was das Geld schließlich auch in der dematerialisierten Finanzwelt sehr gut kann …
Pablo Schlumberger, TOTAL REFUND 13, Tinte auf farbigem Papier, 29,7 x 21 cm, 2019. Foto: Robert Schlossnickel.
In der Hamburger Kunsthalle gehört die Münzen-, Medaillen- und Plakettensammlung zur Skulpturenabteilung, da die Sammlung darauf abzielt, den künstlerischen Wert der Münzen, die Arbeit der Goldschmiede und die Resonanzen mit anderen Werken in den Vordergrund zu stellen. Einer der historischen Kuratoren bezeichnete die Münzsammlung als eine Galerie von Miniaturporträts. Nicht die gesamte Sammlung ist ausgestellt, sie nimmt einen einzigen Raum im Rundgang ein, und dort entdecke ich in einer Vitrine eine – nicht flach, sondern schräg gezeigte – Münze, die außergewöhnlich dünn ist. Durch eine materielle Assoziation entsteht eine Verbindung zur Kunst von Rosa Lüders, die ausschließlich mit Aluminiumfolie arbeitet. Ihre Inspirationsquellen sind vielfältig und umfassen griechische Votivikonen auf weichem Metall ebenso wie Geldspielhallen oder die von der Deutschen Demokratischen Republik geprägten Münzen. In ihnen verschränken sich die Begriffe Glauben, Werte, Wetten und Gewinn miteinander. Anstelle der Eulen und Pferde, die in der Kunsthalle zu sehen sind, gibt Rosa Lüders dem Aluminium die Form von Kirschen, Flammen und Zitronen. Eine moderne Bildsprache, die direkt aus den Spielautomaten stammt, die schnelles Geld versprechen. Ebenso wie ihr reflektierendes Material spielt die Künstlerin mit der Verblendungskraft und dem Spiegeleffekt des Geldes.
Rosa Lüders, Sizzling Hot, 2023 ; 330 x 300 x 30 cm ; Aluminium, Tinten-Mineral.
Auch Rosanna Marie Pondorf arbeitet mit einer hochmodernen Bildsprache, den Emojis. Auf Wertschöpfungspapier, das aus entwerteten Euro-Banknoten hergestellt wird, druckt sie einige dieser Emojis, um auf deren geopolitische Implikationen hinzuweisen. Beispielsweise lautet das Motto der Münze der Emoji-Sprache, die einen amerikanischen Adler darstellt, „The Crazy One“. Ein weiteres Beispiel: US-Dollar haben kleine Flügel. Obwohl Emojis witzig und skurril sind und zu einem alltäglichen Kommunikationsmittel geworden sind, bleiben sie dennoch ein bedeutungsvolles Instrument im Dienste der US-amerikanischen Softpower und der herrschenden kapitalistischen Ideologie. Indem die Künstlerin wertloses Geld in Papier und scheinbar harmlose Emojis in Totems verwandelt, kehrt sie die Wahrnehmung um und äußert eine Kritik an den wirtschaftlichen Interessen der Kontrolle über die digitale Sprache.
Rosanna Marie Pondorf, Wertschöpfungspapier [argent volant], 2023, Tintenstrahldruck auf handgeschöpftem Papier aus Euro-Banknoten, Ausstellungsstange, Klammern, Karabinerhaken, Öse, 44 x 29,5 cm.
Von den Münzen geht es zu den Banknoten, die im 17. Jahrhundert regelmäßig von den Zentralbanken der europäischen Staaten ausgegeben wurden. Der Wert der Geld-Einheit wurde vervielfacht, da er nicht mehr an die Materialität und die metallurgische Zusammensetzung des Trägers gebunden war, sondern an ein System des Glaubens und des Vertrauens. Wir glauben, dass ein Rechteck aus Papier 100 Dollar wert ist. Und das glauben wir schon lange. Es kommt vor, dass dieser Glaube ins Stocken gerät. Die deutsche Geschichte war von diesem Misstrauen gegenüber dem Papierwert geprägt. Am Ende des Ersten Weltkriegs, ab 1916-1917, brach der Wert der Reichsmark ein. In meinen deutschen Schulbüchern wurde gezeigt, wie die Kinder in der Weimarer Republik Drachen aus Geldscheinen bastelten, während ihre Eltern mit Schubkarren voller Mark einkaufen gingen. Die Behörden waren schnell überfordert und erlaubten die Ausgabe von sogenanntem Notgeld. Es wurde von Stadtverwaltungen, Unternehmen und Regionalbanken ausgegeben und sollte die Mark während der Krise ersetzen. Um es attraktiv und ansprechend zu gestalten, wurden Künstler und Grafiker mit seinem Design beauftragt. Insgesamt wurden in dem betreffenden Zeitraum bis 1922 über 1.600 verschiedene Arten von Notgeld gedruckt und verbreitet.
In der Giesecke+Devrient Stiftung Geldscheinsammlung München hatte ich Zugang zu einer der bedeutendsten Sammlungen von Notgeld. Als ich es in den Händen hielt, konnte ich die verschiedenen Größen, Druckarten, Reliefs, Farben und Symbole wahrnehmen. Auf einigen Scheinen stehen Gedichte über die Krise – „Nach der Zeit des Papiers werden Silber und Gold zurückkehren“ –, auf anderen sind Esel abgebildet, die Banknoten defäkieren. Einige sind ernster und verweisen auf lokale volkstümliche Elemente wie Helden und Bauwerke. Jeder Schein spiegelt den Zeitgeist wider und gestaltet durch die Einführung von künstlerischen Formen das Glaubenssystem um. Tom Wilkinson untersucht in einem aufschlussreichen Essay1 die künstlerischen Implikationen und Beiträge des Notgeldes und beschreibt die verschiedenen verwendeten Darstellungen. Was mich betrifft, so war ich von der Fülle des Bestiariums beeindruckt: Ziegen, Löwen, Hunde, Drachen, Fische, Vögel … Eine Tradition der Ikonografie, die, wie man sieht, weit zurückreicht. Dem steht Jana Eulers Malerei in nichts nach. Ihre gesamte Kunst beruht auf der Kritik an Kapitalflüssen und Finanzzahlen, und auf ihren Gemälden finden sich chimärische Tiere, Delfine, Haie, Pferde und sogar eine inflationäre Version des Einhorns, das sogenannte „Morecorn“2.
Inflation als Inspirationsquelle. Genau in diese Meta-Anomalie führt uns Michael Riedel. Der Künstler wurde zunächst 2017 vom Geldmuseum der Deutschen Bundesbank in Frankfurt eingeladen, wo er anhand des gesamten E-Mail-Verkehrs mit seinem damaligen Galeristen den Riedels schuf, eine Währung, die nur in Form von Scheinen existiert. Es entstanden 43 Designs auf Banknoten von 5 bis 500 Riedels. Anschließend wurde ein ganzes Transaktionssystem eingerichtet. In seinen Ausstellungen gab es Automaten, an denen man Geld gegen Riedels umtauschen konnte. Dann wurde eine neue Serie herausgegeben und die inflationäre Form der Riedels wurde eingeführt. Manchmal konnten Rubbellose gekauft und „Inflation Riedels“ gewonnen werden, mit denen man wiederum ein Werk des Künstlers erwerben konnte. In diesem Fall dient das Geld nicht nur der Schaffung von Formen, sondern auch von Interaktionen, da das Publikum gewissermaßen an diesem Transaktionssystem „arbeitet“, das übliche Triebfedern nutzt: Gewinnsucht, Habgier, das „immer mehr“.
Michael Riedel, Riedels 25.000 (12), 2017. Offsetdruck auf Papier, Heißprägedruck, 12,6 x 20,5 cm. © Studio Michael Riedel
Während Michael Riedel sich in eine Bank und ein Geldsystem verwandelt hat, hat sich Niko Abramidis in ein Start-up-Unternehmen verwandelt. Das Vertrauen der Menschen in das Geld ist seiner Meinung nach von derselben Art wie das Vertrauen von Sammlern in einen Künstler. Wenn ein Künstler sich selbst Zeichnungen verkauft, nimmt er dann nicht eine Aufteilung seines Kapitals in Anleihen vor? So hat er in eine Reihe von Zeichnungen das neueste unter anderem durch Apple Pay generierte Chip-Zahlungssystem integriert. Der Künstler lässt uns auf einem Bündel 500-€-Scheine oder an einem typisch korporativen Besprechungstisch in den ehemaligen Räumen einer Investitionsbank sitzen. An der Grenze zur Dystopie erfindet er „Cryptic Machines“, esoterische Geldautomaten aus einer vielleicht nicht allzu fernen Zukunft, in der das kapitalistische System untergegangen ist und die Schlitze der Automaten weit geöffnet bleiben.
In einem Kontext des allgemeinen Misstrauens wurde in den 1920er Jahren das Notgeld eingeführt. Heutzutage, so Simon Denny, sind Kryptowährungen, NFTs und Blockchains „mächtige Alternativen zu den herrschenden Systemen des Fiat-Geldes, des Bankwesens und der Kunstproduktion, wie wir sie so lange kennen“3. Der Künstler und Kurator Simon Denny erforscht die Erfahrungen von Macht, ihre Ausdrucksmittel und ihre Vertreter in einfachen, nicht technologischen Formen wie Briefmarken oder Brettspielen. Als Leitfigur des kritischen Denkens über technologische alternative Währungen in der Kunst hat er zwei maßgebliche Ausstellungen konzipiert: Proof of Work im Jahr 2018 im Schinkel Pavillon und Proof of Stake im Jahr 2021 im Kunstverein in Hamburg. Beide versammelten verschiedene künstlerische Produktionen rund um Kryptowährungen und ihre politische, wirtschaftliche und erzählerische Realität. Geld nimmt immer dematerialisiertere Formen an, es wird immer geruchloser und flüchtiger, es beschwört immer tentakelhaftere Vorstellungswelten herauf. Als ich ein Kind war, sprang Onkel Dagobert (im Französischen „Picsou“) kopfüber in Pools voller Gold und Geldscheine. Heute ist CryptoPicsou das Pseudonym eines Händlers von Kryptowährungen.
Installationsansicht Proof of Work, Schinkel Pavillon, 2018. Enthält: CryptoKitties / Guile Twardowski, Celestial Cyber Dimension (Kitty .127), 2018. Foto: Hans-Georg Gaul.
1 https://journals.openedition.org/critiquedart/114597
2 Pauline Hatzigeorgiou, Jana Euler, Oilopa, Wiels, 21.06.-29.09.24
3 https://curamagazine.com/digital/simon-denny-art-and-crypto/