Bist du bereit? Rückblick auf das Programm Rendez-vous von Katia Porro
„Bist du bereit?“ Diese Frage, die auf eine in der Kunsthalle Osnabrück gekaufte Mütze gestickt wurde, könnte ich mit etwas Abstand als ein wiederkehrendes Motiv ansehen, das mich durch das gesamte Rendez-vous-Programm begleitet hat. Im Nachhinein betrachtet, scheint sie sich an jeder Ecke zu stellen: Bist du bereit, 15 Kunsträume in 12 Städten in nur 4 Tagen zu erkunden? Mit dem Koffer in der Hand von einem Kunstzentrum zum nächsten – ja, buchstäblich – zu rennen, bevor du dank der Ausfälle bei der Deutschen Bahn neun Stunden damit zubringst, für die Heimreise nach Frankreich von einem Zug in den anderen zu springen? Bist du bereit, in einen winzigen und unauffälligen Raum zu klettern, in das Dachwerk eines Gebäudes von Frank Gehry vorzudringen und endlich zu begreifen, wie das alles zusammenhält? Und bist du bereit, dich auf die Intensität dieser Reise einzulassen, den Reichtum jeder Begegnung zu genießen und darüber nachzudenken, wie wir Kunstarbeiter*innen überall ständig zwischen dem schrillen Glanz der Kunstwelt und den oft unsichtbaren Herausforderungen, die sie am Leben erhalten, hin und her manövrieren?
Im November 2024 schloss ich mich Maëla Bescond, Benoît Lamy de La Chapelle, Loïc Le Gall und Alexia Pierre – alles Direktor*innen und Mitarbeiter*innen von französischen Kunstzentren – für eine Reise nach Deutschland im Rahmen eines Programms an, das sich der Förderung der institutionellen Zusammenarbeit zwischen französischen und deutschen Einrichtungen verschrieben hat. Man könnte behaupten, ich würde den Begriff „Institution“ etwas zu weit gefasst verwenden, denn In extenso, der Ort für zeitgenössische Kunst, den ich leite, kann genau genommen bei weitem nicht als solcher bezeichnet werden. Bei In extenso handelt sich um ein kleines Kunstzentrum, das von einem gemeinnützigen Verein in Clermont-Ferrand betrieben und 2022 gegründet wurde und eine kostenlose Zeitschrift für zeitgenössische Kunst mit dem Titel La belle revue herausgibt, und das aufgrund seiner Größe und seiner Ressourcen, sowohl personell als auch finanziell, oft unterschätzt wird. Und dennoch spiegelt unsere Arbeit die von anerkannten Kunstzentren wider: Realisierung von Ausstellungen, Unterstützung von Forschung und Experimenten und Ausbau der Vermittlungsarbeit. Meine Teilnahme an diesem Programm spiegelt also eine notwendige Infragestellung der Hierarchie zwischen Strukturen und Ebenen wider – und das zu Recht, denn die gleichen Herausforderungen, denen wir auf den unterschiedlichen Ebenen begegnen, haben die Gemeinsamkeiten zwischen uns Partnern in den Vordergrund gestellt. Aber zurück zu dieser Reise nach Deutschland im November 2024…
In diesem Strudel der Ereignisse – vier Städte pro Tag, oder zumindest fast, kurze Gespräche während der 45-minütigen Zusammenkünfte, die wir in den öffentlichen Verkehrsmitteln auf dem Weg von einer Ausstellung zur nächsten, von einer Stadt zur nächsten fortsetzten – haben wir Gemeinsamkeiten entdeckt und Beziehungen aufgebaut zwischen uns und unseren deutschen Partnern. Auch wenn wir viel über die Herausforderungen gesprochen haben, denen wir uns heute stellen müssen – Budgetkürzungen, politische Einflussnahme, der auf der Kulturarbeit beständig lastende Druck –, so hat dieser Austausch doch auch einen Nährboden für ein besseres Verständnis unsere Existenz (in Anlehnung an das Buch Notre condition von Aurélien Catin) als Kunstarbeiter*innen geschaffen. Diese Gespräche haben die von uns besuchten Ausstellungen keineswegs in den Hintergrund gedrängt, sie standen vielmehr im Einklang mit den künstlerischen Angeboten, die sich mit Themen wie Gewalt und Machtverhältnissen auseinandersetzten.
Was mich am meisten überrascht hat, war nicht so sehr die Allgemeingültigkeit dieser Kämpfe, sondern die Intensität, mit der sie zum Ausdruck gebracht werden. Es zeigte sich, dass einige große Institutionen, namhafte und prestigeträchtige Kultureinrichtungen, zum Teil von oft kleinen und überlasteten Teams unterstützt werden. Manchmal nur zwei oder drei Personen, die mit großem Aufwand renommierte Programme auf die Beine stellen. Es liegt eine gewisse Ironie darin, über unsere oft unsichtbaren Arbeitsbedingungen in diesen umgenutzten kleinbürgerlichen Räumlichkeiten zu sprechen, in denen wir tätig sind. Diese sind zum einen imposant und zum anderen von einer Geschichte geprägt, die unseren Arbeitsaufwand in den Schatten stellt.
Und dennoch waren diese Gespräche tröstlich und geprägt von einer seltenen und notwendigen Solidarität. Wir haben über das Gefühl der Einsamkeit gesprochen, das uns bei der Leitung künstlerischer Einrichtungen befällt, die, wie in unserem Fall, oft fernab der großen Kulturzentren beheimatet sind, und über das, was dies mit sich bringt. Über die unerschöpfliche Energie, die es braucht, um durchzuhalten, auch wenn die Ressourcen und die Anerkennung selten den aufgewendeten Anstrengungen gerecht werden. Und trotzdem finden wir immer wieder Gründe weiterzumachen. Gründe, bereit zu sein, immer wieder.
In einigen der Ausstellungen, in denen diese Gespräche stattfanden, schwangen Themen mit wie Gewalt, Unsichtbarkeit und bittersüße Beziehungen zu unserem Umfeld.
Im Haus am Waldsee füllten die Puppen im Maßstab 1:1 von Gisèle Vienne – unbeweglich, von unsichtbaren Verletzungen und Bürden gezeichnet – den Raum mit einer bedrückenden Stille. Ihre Präsenz erforderte eine Auseinandersetzung mit latenten Spannungen, die im Material selbst dieser erstarrten Körper sichtbar waren. Der Körper wurde so zum Ort des Leidens, aber auch des Schweigens und zum stummen Zeugen für häusliche Gewalt. Neben diesem Aspekt befasste sich diese Arbeit von seltener Relevanz auf globalerer Ebene mit den Machtsystemen, die unsere Gesellschaft durchdringen, und machte unsichtbare Kluften deutlich. Sie regte dazu an, über globale Formen der Gewalt nachzudenken, die bei uns oft totgeschwiegen werden, und Maßnahmen zu unterstützen, die diese Machtdynamiken anprangern. Vor allem aber machte sie die Dringlichkeit deutlich, sich jeder Form der Unterdrückung zu widersetzen. Ein Beispiel dafür ist die Ausstellung der Fotografien von Rene Matić im CCA, die während einer propalästinensischen Demonstration aufgenommen wurden, – ein mutiger Schritt angesichts der politischen Lage, die von Zensur-Vorwürfen geprägt ist.
Das Keychain-Programm des Kunstvereins in Bielefeld stellte dazu ein Gegenstück dar, eine Geste der Widerstandsfähigkeit. Die Co-Direktorinnen Katharina Klang und Victoria Tarak übergeben die metaphorischen „Schlüssel“ ihrer Institution an andere und laden zu einem Dialog zwischen den Räumen und ihren Bedingungen ein. Die Last des realen Lebens des einen und des anderen anzuerkennen, den Stimmen mehr Raum zu geben, statt sie zum Schweigen zu bringen – vielleicht liegt darin die Hoffnung, wie auch der Kampf.
Das Projekt Liquid Currency Bar von Zoe Williams im Dortmunder Kunstverein bezog auch die Themen Werte und Wirtschaft mit ein. Diese Installation, die aus einer Bar und einer Bühne mit einem pissgelben Vorhang besteht und für Performances und Events konzipiert wurde, hinterfragt Wertschöpfungsketten. Ein Beispiel: Eine Flasche Champagner für 100 Euro wird getrunken, nur um anschließend ausgepisst und zu Abfall zu werden. Es stellt sich somit die Frage nach den Input-Output-Strömen, nach unserer Arbeit und ihrem Wert und hinterfragt die Absurditäten der libidinösen Ökonomien.
Und schließlich die Einzelausstellung On the Street Where You Live von Steve Bishop in Osnabrück. Das in einer ehemaligen Kirche geschaffene Bild einer Vorstadtszene – ein vor einer Garage geparktes Auto, aus dem Jazzmusik ertönt, der vertraute und gleichsam seltsame Geruch einer Tiefkühltruhe, Fotos von der Familie in Disneyland, Lichter, die uns wie Wachen überall hin verfolgen. Es wirkt wie ein Requiem der Unschuld, eine Erinnerung an den Moment, in dem die tröstliche Illusion der Kindheit zerplatzt und uns mit den ungeordneten Widersprüchen des Erwachsenseins konfrontiert. In Bezug auf unsere Reise fühlte sich dies an wie ein bittersüßes Echo: das unmögliche Gleichgewicht zwischen dem Glauben an das, was wir tun, und dem Navigieren durch die Desillusionierung.
Und schließlich geht es nicht nur darum „bereit“ zu sein. Die Frage, die Nan Goldin in Berlin am Tag unserer Abreise aus Deutschland stellte, ist viel dringlicher: „Hören Sie auch wirklich zu?“ Als sie sich bei der Eröffnung ihrer Ausstellung an das Publikum wandte, sprach sie über die historische Amnesie und die heimtückische Flut des Schweigens. Ihre Worte klangen wie eine Herausforderung. Gemeinsam bereit sein. Sich organisieren. Gegen das Schweigen ankämpfen, für Räume kämpfen, in denen die Kunst noch die Wahrheit sagen kann. Einander zuhören.