kuratorischer Auftrag Transmediale – Jade Barget

Das Festival transmediale bietet neue Perspektiven auf die Entwicklung von Technologien und lädt ein zum Nachdenken darüber, wie diese Technologien unsere postdigitalen Gesellschaften verändern. Als freiberufliche Kuratorin beschäftige ich mich mit den Bildschirmkulturen und der Kultur der bewegten Bilder, insbesondere mit dem Einfluss der Medienentwicklung auf unsere Subjektivität, unser Gedächtnis und unsere Geschichte. Durch das Programm Jeune Commissaire wurde ich regelrecht in diese spekulative Betrachtungswelt der transmediale hineingeschleudert und fand mich mitten in der Konzeptionsphase des Festivals 2021-22 wieder. Diese Erfahrung hat mich zum Nachdenken über kuratorische Diskursformen angeregt und mich dazu gebracht, die Probleme meiner Forschungsarbeit auf technische Weise anzugehen und sie auf unsere computerisierte Welt zu übertragen. It’s a match.

Von Oktober 2021 bis Februar 2022 habe ich aus der Ferne das Symposium This is Not Anarchy, This is Chaos vorbereitet und war zweimal, im November und im Februar, für die Produktion des Festivals direkt vor Ort.

Das zweitägige Symposium fand im Haus der Kulturen der Welt statt und umfasste Performance-Kunst, Filmvorführungen, Lesungen und Diskussionen zwischen Denkerinnen und Denkern. Das Symposium war als Binge-Watching-Veranstaltung (Serienmarathon) konzipiert und thematisierte das Konzept der Verweigerung – ihre möglichen Formen, ihr Potenzial und ihre Grenzen.

Der erste Tag war der Frage gewidmet, wie Algorithmen in unserem postfaktischen Zeitalter Begehren, Fantasie und Glauben erzeugen. Das Symposium regte ebenfalls zum Nachdenken über die „atomisierende“ Kraft von Algorithmen an, darüber, wie diese Formen der Kollektivität auslöschen können. Die eingeladenen Denkerinnen und Denker beschäftigten sich mit den Möglichkeiten und Grenzen der Verweigerung in diesem von Algorithmen gesteuerten computerisierten Kontext. Zu den Gästen zählten: Adam Bobbette, Antonia Hernández, Bassam El Baroni, Bassem Saad, Che Applewhaite, Distributed Cognition Cooperative (Anna Engelhardt, Sasha Shestakova), Donal Lally, Imani Jaqueline Brown, Laura Cugusi, MELT (Ren Loren Britton & Isabel Paehr), Nishant Shah, Paolo Gerbaudo, Robert Gerard Pietrusko, Phanuel Antwi, Sabine Gruffat, Xenia Chiaramonte, Zach Blas.

Am zweiten Tag ging es bei dem Symposium um Strategien der Verweigerung angesichts von Schulden und Knappheit. Es wurden Taktiken der Flucht, des Kompromisses und der Spekulation untersucht, wobei folgende Redner zu Wort kamen: Ahmed Isamaldin, AM Kanngieser, Bahar Noorizadeh, Byung-Chul Han, Cindy Kaiying Lin, Dele Adeyemo, Elaine Gan, Elsa Brès, Gary Zhexi Zhang, Jack Halberstam, Magda Tyżlik-Carver, Mary Maggic, Maya Indira Ganesh, Max Haiven, Olúfẹ́mi O. Táíwò, Patricia Domínguez und Nicole L’Huillier, Samir Bhowmik, Timothée Parrique.

Heute, im Juni 2022, vier Monate nach dem Ende des Symposiums, beeinflussen einige Beiträge noch immer meine Gedanken, insbesondere die Lesungen von Olúfẹ́mi O. Táíwò und Phanuel Antwi. O. Táíwò analysiert Krisen, wie die ökologische Krise, als etwas in ein planetarisches Verteilungssystem eingebettetes, das durch den Rassenimperialismus etabliert wurde, der wiederum auf Kolonialismus und Sklaverei aufgebaut ist. Diese Ordnung oder dieses Verteilungssystem ermöglicht die Anhäufung von Reichtum, Wissen oder Forschungskapazitäten im Norden und von Giftmüll, Armut und Gewalt im Süden. Seiner Meinung nach ist eine Wiederherstellung des Gleichgewichts nur durch die Entwicklung eines neuen globalen Verteilungssystems möglich.

Phanuel Antwi hingegen weigert sich, den Traum als passive Aktivität zu betrachten. Er spricht vom antikolonialen Traum, der, insbesondere wenn er ein mit anderen geteilter Traum ist, eine Kraft erzeugen kann, um Kämpfe zu organisieren und die Welt zu verändern.

Am Ende des Symposiums verabschiedeten wir uns, aber die Trennung war nur von kurzer Dauer: zwei Monate, um genau zu sein. Heute lebe ich zwischen Berlin und Paris und arbeite an der Ausgabe 2023 des Festivals.